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Zehra Çirak
Fragen an eine türkische Berlinerin
1992
Zum Autor: Zehra Çirak wurde 1961 in Istanbul, Türkei, geboren. Als zweijähriges Mädchen kam sie in die BRD, wo ihre Eltern Arbeit fanden. Çerak wuchs in Deutschland auf und lebt seit 1982 in Berlin, heute Heimatstadt von etwa 130 000 Türken. Ihre Gedichte und Kurzgeschichten behandeln Erfahrungen aus der Welt des Alltags. Zu Çiraks Werken gehören diverse Arbeiten in Anthologien, darunter Sie haben mich zu einem Ausländer gemacht, ich bin einer geworden (1984) und Türken deutscher Sprache (1984).
Zum Text: Das Interview mit Zehra Çirak erschien 1992 in "Türkische Berliner - Eine Minderheit stellt sich vor". Çirak spricht über die Erfahrungen der ethnischen Minderheiten in Deutschland und berichtet von ihrer Arbeit als Lyrikerin. Dazu sagte sie: "Mein Thema ist nicht, als Türkin in Deutschland zu leben. Über das, was ich schreibe - Menschen und ihre vielfältigen Beziehungen zueinander bei Liebe, Leiden und anderen Gefühlen, spielt Nationalität sowieso keine Rolle."
Zehra Çirak, Fragen an eine türkische
Berlinerin
Interview von Ayça Tolun mit der Lyrikerin Zehra
Çirak 1992 in Berlin
Ayça Tolun: Gibt es in Berlin eine eigene türkische Kulturszene?
Z. Çirak: Ja, ich glaube schon. Vielleicht kann man es so zusammenfassen. Es gibt zwei türkische Kulturszenen in Berlin. Die Offizielle - in dieser Szene sind Künstler, die von offiziellen Stellen, zum Beispiel vom Senat unterstützt werden. Die andere Szene ist - wenn man so will - die türkische "off-Szene". Sie wird weniger beachtet.
Ayça Tolun: Das ist wohl aber auch in der deutschen Kulturszene nicht anders. Da gibt es ja auch - aus welchen Gründen auch immer - Lieblingskinder.
Z. Çirak: Natürlich, aber ich habe mich trotzdem schon mal gefragt, warum es immer dieselben Leute sind, die in der Öffentlichkeit als "die türkischen Künstler" präsentiert werden.
Ich meine, ist das, was diese Künstler machen, das was vielen Deutschen ins Ausländerbild paßt?
Ich persönlich finde die Nationalität und auch die Herkunft eines Künstlers unwichtig. Wenn ein Maler malt - gut malt - ist es doch egal, woher er kommt. Mich interessiert nicht, woher er kommt oder wie sein Name klingt, sondern nur das Werk. É
Ich möchte in erster Linie als Lyrikerin anerkannt werden. Und das, ohne nach meiner Herkunft oder Nationalität gefragt zu werden. Ich glaube, alle Künstler wollen das. Natürlich kann man immer Werke haben, aus denen sich schnell auf die Nationalität schließen läßt; aber wenn man es immer wieder vom Publikum aufgedrängt bekommt, und die Arbeit immer im selben Atemzug mit der Nationalität genannt wird, ist das sehr unangenehm.
Bei meinen Texten suchen sich die Deutschen immer wieder Stellen aus, von denen sie dann behaupten "ach, das und jenes ist doch gerade das Orientalische an Ihren Texten" - wo ich das gar nicht sehe. Und Türken fragen mich, warum ich nicht türkisch schreibe. Der Drang, mich in eine Schublade der "ausländischen Künstler" oder "typisches Gastarbeiterkind mit wenigen Türkischkenntnissen" zu zwingen, ist groß.
Natürlich ändert sich auch vieles durch die Zeit. Die erste Generation von Türken ist ja noch in der Türkei und mit türkisch aufgewachsen, und künstlerisch haben sie auch das Mitgebrachte verarbeitet. Die Deutschen haben sich wiederum anhand dieser Situation ein Bild von der türkischen Kultur gemacht. Wir sind hier aufgewachsen, haben die deutsche Wirklichkeit erlebt, ganz andere Erfahrungen gemacht, und das ändert natürlich auch unsere Werke. Und mal ganz abgesehen davon, ob man nun Ausländer ist oder nicht, auch allgemein ändert sich doch Kunst und Kultur von Generation zu Generation.
Ich versuche jedenfalls, mich von diesem "Zehra Çirak - die türkische Lyrikerin der zweiten Generation" - Image loszuschwimmen.
Für Kunst gibt's nur ein Kriterium. Entweder ist sie gut oder nicht, egal woher sie stammt.
Quelle: Interview mit der Lyrikerin Zehra Çirak in Türkische Berliner - Eine Minderheit stellt sich vor. Miteinander leben in Berlin. Informationsbroschüre der Ausländerbeauftragten des Senats. Berlin 1992, S. 52f. Zitiert aus Rückblick. Texte und Bilder nach 1945. Hrsg. von Andreas Lixl-Purcell. Boston: Houghton Mifflin Company, 1995.
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